Die Macht der kleinen Schritte

Das komplette Inventar einer ganzen Wohnung in einem kurzem Zeitraum durchzusehen, ist eine große Herausforderung. Manche lassen sich deshalb auch gar nicht erst auf diese Aufgabe ein, obwohl es ihre Lebensqualität verbessern würde.

Es gibt jedoch auch einen anderen Weg, den ich gemeinsam mit einem älteren Herrn aus der Nachbarschaft ausprobiert habe:

Im Laufe seines Lebens hatte sich bei dem vielseitig interessierten Herrn eine große Menge an verschiedenen Dingen angesammelt. Nun wollte er in den nächsten zwölf Monaten in eine kleinere Wohnung in die Nähe seiner Tochter ziehen.

Die Herausforderung bestand nun darin, sich von seinen bisher 120 Quadratmetern Wohnfläche auf eine 65 qm Wohnung zu verkleinern. Es war deshalb erforderlich, den Hausstand stark zu reduzieren.

Ein umfangreiches Aussortieren in kurzer Zeit war ihm nicht recht. Zu sehr hing er an vielen Gegenständen, um sich von ihnen in großer Menge auf einmal zu trennen. So empfahl ich ihm, sich der Aufgabe in kleinen Schritten zu nähern.

Sie alle kennen die Macht der Gewohnheit:

Wenn wir bestimmte Handlungen regelmäßig ausführen, werden sie zu Automatismen. Wir überlegen dann nicht jedesmal, ob und warum wir das tun – sie sind Teil unseres Alltags geworden.

Der Schlüssel zum Ziel sind oft die kleinen Schritte.

Wir vereinbarten, dass er sich ab dem kommenden Monat jeden Tag eine Sache auswählt, die er entweder weitergibt oder entsorgt.

Ich gab ihm dafür ein übersichtliches Blatt mit den Zahlen von 1 – 30. Täglich konnte er dann jeweils ein Kästchen abhaken, sobald er mit dieser Aufgabe fertig war. Schön gestaltet, wurde es gut sichtbar in der Küche aufgehängt.

Im zweiten Monat erweiterten wir die Herausforderung und es wurden täglich zwei Dinge ausgewählt.

Es half ihm sehr, dass er für seine Aktionen immer eine feste Zeit einplante. Jeden Abend um 19:30 Uhr – eine halbe Stunde vor Beginn der Tagesschau – startete er mit dem Aussortieren. Schon bald war dies für ihn zu einer vertrauten Regelmäßigkeit geworden, die er gut in seinen Tagesablauf integrieren konnte.

Der überschaubare Umfang gab ihm eine gute Möglichkeit, den „Entrümpelmuskel“ zu trainieren, ohne sich dabei zu überfordern.

Ein positiver Nebeneffekt dieser Vorgehensweise war zudem, dass es ihm ermöglichte, in Ruhe allmählich Abschied von den Gegenständen seines langjährigen Zuhause zu nehmen. Er konnte ohne Zeitdruck in seinen Erinnerungen schwelgen und genoß den nun regelmäßigen Kontakt mit Freunden und Nachbarn, die so manches von seinen Besitztümern gerne übernahmen.

Besser kleine Schritte machen, als über große Sprünge reden.

Walter Jakoby

Damit er trotz des langsamen Beginns schnell Erfolgserlebnisse verbuchen konnte, haben wir uns zunächst auf eine Kategorie geeinigt – seine Kleidung. Da war es für ihn einfach mit der Entscheidung: Alles, was ihm größenmäßig oder nicht mehr zu seinem jetzigen Lebensstil passte, konnte zügig aussortiert werden. Nach dem Kleiderschrank kamen dann Bettwäsche und Handtücher an die Reihe usw. Die aussortierten Gegenstände, die nicht von Bekannten übernommen wurden, brachte er einmal monatlich in ein Sozialkaufhaus. Beschädigte Stücke kamen zum Wertstoffhof.

Etwa nach einem Vierteljahr trafen wir uns für größere Projekte einmal wöchentlich für zwei Stunden. Beim Aussortieren seines Arbeitszimmers nahm er gerne meine Hilfe an. Alleine hätte er vermutlich den Überblick darüber verloren, welche Dokumente er entsorgen und welche er behalten sollte. Diese haben wir übersichtlich in eine begrenzte Anzahl von Ordnern einsortiert.

Das Prinzip der kleinen Schritte führte der ältere Herr bis zu seinem Umzug weiter fort. So blieben am Ende nur noch einige Möbelstücke, die entsorgt werden mussten. Ich war sehr davon beeindruckt, wie er diese große Aufgabe so systematisch und konsequent meisterte.

Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte.

Antoine de Saint-Exupéry

Wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir uns nicht gleich ein großes Ziel setzen. Oft hilft es, uns mehrere kleine Ziele zu setzen und diese in überschaubare Einheiten aufteilen. So zum Beispiel nicht an einem Tag das ganze Schlafzimmer entrümpeln wollen, sondern erst einmal nur die Pullis, dann die Hosen usw. Der dafür erforderliche zeitliche Aufwand lässt sich viel leichter in den Alltag integrieren als radikale Aktionen.

Sie werden erstaunt sein, wie viel man in 15 – 30 Minuten schaffen kann.

Die dabei erzielten Erfolgserlebnisse motivieren uns dann viel mehr zum Weitermachen, als wenn wir uns übernehmen und unsere Kraft und Lust verlieren. Denn nichts ist demotivierender als ein großer Haufen Chaos, der liegen bleibt, weil man nicht alles geschafft hat.

Deshalb gilt für alle, die nicht schon in den nächsten Wochen umziehen wollen:

Klein anfangen und aufhören, wenn es am schönsten ist.

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Loslassen oder bewahren?